- By Alicia Pedersen
- 22. März 2025
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Besuch Konzentrationslager Osthofen
Unser Besuch des ehemaligen Konzentrationslagers in Osthofen (Jahrgang 9)
von Caroline Kinzebach-Wagener
Die Sonne strahlte von einem wolkenlos blauen Himmel – fast ironisch, wenn man bedenkt, wohin unsere Reise führte. Je näher wir dem ehemaligen Konzentrationslager Osthofen kamen, desto unpassender erschien der schöne Frühlingstag.
Vor Ort erwartete uns ein fünfstündiger Workshop, der sowohl eine sehr informative und anschauliche Führung über das Gelände als auch tolle Projektarbeiten für die Schülerinnen und Schüler beinhaltete. Unser Guide veranschaulichte uns mit zahlreichen Erzählungen, seinem fundierten Wissen und vielen Bildern die Hintergründe der Entstehung des Lagers, den Lageralltag und die Folgen der Inhaftierung, mit denen die Insassen oft bis an ihr Lebensende zu kämpfen hatten. Durch seine ruhige und synmpathische Art, gelang es ihm, auch potentiell belastende Inhalte einfühlsam zu vermitteln. Die Schülerinnen und Schüler konnten sich außerdem zu jeder Zeit vom Vortrag entfernen, wenn ihnen bestimmte Themen, wie zum Beispiel Schilderungen von Foltermethoden, zu nahegingen. Besonders war auch, dass die Schülerinnen und Schüler immer wieder miteinbezogen wurden und dadurch ein reger interaktiver Austausch entstand, den alle als sehr bereichernd wahrnahmen.
Auch wenn Osthofen eines der ersten Konzentrationslager war, das zu Beginn der Machtübernahme der Nationalsoziallisten von einer Papierfabrik zu einer Haftanstalt umfunktioniert wurde, und es sich somit nicht um ein Vernichtunglager handelte, machten uns die Bedingungen, unter denen die Insassen dort litten, sehr betroffen. Der Lageralltag war von unfassbaren Entbehrungen, Demütigungen, Krankheit und Gewalt geprägt und obwohl niemand im KZ zu Tode kam, verstarben einige Häftlingen danach zuhause an den Folgen der Inhaftierung.
Nach der bewegenden Führung setzten sich die Schülerinnen und Schüler auf kreative Weise mit dem Erlebten auseinander. In der anschließenden Projektphase entstanden beeindruckende Arbeiten, die anschließend präsentiert wurden und zu einem gelungenen Abschluss des Tages beitrugen.
So konnten sich die Schülerinnen und Schüler zum Beispiel von der Comicausstellung in den Räumen zum Thema Rassismus inspieren lassen und sich dafür entscheiden, anhand von alten Fotografien zum Thema Nationalsozialismus und Antisemitismus einen eigenen Comic zu entwerfen.
Zusätzlich profitierten die Gruppen von der vielseitigen Austellung zum Nationalsozialismus im zweiten Stock des Gebäudes.
Eine weitere Projektaufgabe bestand darin, eine der ca. 20 Biografieboxen auszuwählen, die ehemaligen Insassen des Konzentrationslagers gewidmet waren und sowohl Informationstexte und Bilder als auch Gegenstände enthielten, die Hinweise auf Eigenschaften oder Vorlieben der Person beinhalteten. Im Anschluss galt es, die Person zu ergründen und die Erkenntnisse in einem Vortrag zu teilen.

Tolle Produkte entstanden auch im Rahmen einer weiteren Option, deren Grundlage ebenfalls Fotografien aus der damaligen Zeit bildeten. Die Schülerinnen und Schüler wählten eine für sie ansprechende Fotografie aus und versetzten sich dann in Lage des Zuschauers, der eventuell auf dem Bild zu sehen war oder in Form des Fotografen zutage trat. Eine Gruppe arbeitete zum Beispiel mit einer Fotografie, welche die Verhaftung eines Mannes durch die Polizei und die SA zeigte, während Passanten die Szene beobachteten. Aufgabe war es nun, die Gedanken und Gefühle des Zuschauers zu ergünden sowie die Motive für sein Schweigen. Dies konnte in Form eines Tagebucheintrags, einer Zeichnung, eines Gedichts oder einer Collage veranschaulicht werden. Die besagte Gruppe entschied sich für eine Kombination aus einem Tagebucheintrag und Zeichnungen, welche die Gefühle des Beobachters, dessen Gedanken im Tagebucheintrag geschildert wurden, nochmals verdeutlichten.
Tagebucheintrag (Anastasia Gheorghiţă)
Heute war ein grausamer Tag. Es wurden wieder Bürger inhaftiert, und einer von ihnen war mein guter Freund Peter Paul Nahm. Wir sind wie Brüder aufgewachsen, und dennoch schwieg ich bei seiner Verhaftung und stand still im Hintergrund des ganzen Geschehens. Und kein Laut entfuhr meinen Lippen und wieso? Weil ich feige bin ich, ich hatte Angst, dass sie mich auch holen, da sie ja die Grundrechte verwarfen. Zudem bin ich aber auch erleichtert, dass sie nicht mich in Gefangenschaft nehmen, aber doch fühle ich so viel Schuld in mir, dass es an meinen Innersten nagt.
Auch würde ich gerne wissen, wo sie ihn hinbringen und was mit ihm geschieht.
Ich hätte es vielleicht verhindern können, denn mir ist nicht klar, was sie ihm antun – und ob er es überleben wird.
Das letzte Mal als ich meinen besten Freund sah, war heute, als ich mich verhielt, als wäre ein Fremder für mich, aber zu meinem eigenen Schutz. Doch da wir beste Freunde sind, versteht er mit Sicherheit mein Handeln und wird mir verzeihen… oder nicht?
Eine weitere Gruppe entschied sich, ein Gedicht zu einem anderen Bild zu schreiben. Dieses zeigte Juden, die dazu gezwungen wurden, beschmierte Wände abzuwaschen, während sie von Mitgliedern der SA bewacht wurden.
„Wieso“ (Mirja Eisold, Paula Steinkopf, Sophie Schinabeck, Lena Öchsner, Lea Billhard)
Wieso ich,
das frag‘ ich mich.
Wieso wir,
alle hier.
Warum immer wir Jungs?
Was passiert mit uns?
Mit Schrubber und Wasser
wird die Wand immer nasser.
Nur sauber wird sie nicht,
das ist der Ablauf der Geschicht‘.
Immer das Gleiche wird gemacht,
ob Tag, ob Nacht.
Tag ein Tag aus
wir kommen nicht mehr raus.
Die Wand scheint nie zu Ende zu geh’n,
nun fall‘ ich gleich um, aus dem Steh’n.
Die Kraft lässt nach, die Hoffnung stirbt,
mal sehn‘, was aus der Zukunft wird.
Von Stund‘ zu Stund‘ im gleichen Takt,
laufen die Wachen auf und ab.
Wieso hassen sie grad mich?
Ich weiß es nicht!
Da stehen sie mit bösem Gesicht,
nur was sie uns antun, versteh’n sie nicht.
Der Hut, der rutscht, der Schweiß, der läuft,
immer das Gleiche, das sag‘ ich euch.
Ich möcht‘ hier fort
an einen anderen Ort.
Weg von hier
das wünsch‘ ich mir.
Unsere Feedbackrunde in der Klassenleiterstunde am nächsten Tag machte deutlich, dass auch die Schülerinnen und Schüler den Tag sehr spannend und interessant fanden.
Unser Fazit lautet also: Geschichte hautnah zu erleben, verändert. Osthofen ist nicht nur ein Ort der Erinnerung, sondern auch der Mahnung – ein Besuch, der uns alle geprägt hat und den wir absolut weiterempfehlen würden!